04.08.2008

Gemeinsame Stellungnahme des DIÄTVERBANDes und des Bundesverbandes Medizintechnologie zum Urteil des BSG vom 28.02.2008 – B 1 KR 16/07 R i. S. „Lorenzos Öl“

Bonn – Das Bundessozialgericht (BSG) hat in diesem Jahr über einen Fall entschieden, in dem ein an einer seltenen Stoffwechselerkrankung leidender Versicherter von seiner Krankenkasse Leistungen für ein spezielles Lebensmittel verlangt hatte. Die offenbar als „Lorenzos Öl“ bezeichnete Substanz - bestehend aus Fettsäureestern - ist nicht als Arzneimittel zugelassen.

Das BSG hat sich in seiner Entscheidung u. a. damit befasst, ob dieses Produkt auf der Grundlage der geltenden Arzneimittelrichtlinie (sog. Ersatzvornahme-Richtlinie) verordnungsfähig gewesen sein könnte. Hiervon war die Vorinstanz (Hessisches Landessozialgericht L 8 KR 18/05) ausgegangen.

Das BSG hat die Verordnungsfähigkeit des Produkts verneint – die Begründung dieser Entscheidung liegt nun seit einigen Tagen vor. Zu dem seinerzeit noch unveröffentlichten Urteil hatten BVmed und DIÄTVERBAND bereits am 11. März 2008 Stellung genommen (Pressemitteilung 1/2008 vom 11.03.2008).

In der Entscheidungsbegründung weist das BSG - neben dem Aspekt eines fehlenden medizinischen Belegs für die Wirksamkeit von „Lorenzos Öl“ - darauf hin, dass der Gesetzgeber in § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V nicht vorgesehen hat, dass zur Behandlung von angeborenen, seltenen Defekten im Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel andere Produktgruppen als die in § 31 SGB V ausdrücklich genannten Produkte (Aminosäuremischungen, Eiweißhydrolysate, Elementardiäten oder Sondennahrung) zu Lasten der GKV verordnet werden können.

Das BSG stellt hierzu fest, dass die Ersatzvornahme-Richtlinie in ihrer Ziffer 15.2.5 Satz 3 diese verbindlichen gesetzlichen Vorgaben insoweit gleichwohl erweitert habe. Diese Erweiterung der gesetzlichen Vorgaben sei also nicht zulässig gewesen und damit unwirksam bzw. nichtig.

Diese Entscheidung veranlasst den DIÄTVERBAND zu folgenden Hinweisen:

  1. Da „Lorenzos Öl“ nicht den Produktgruppen des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V entspricht, kam die Prüfung einer Verordnungsfähigkeit dieses Produkts an sich bereits aus formalen Gründen nicht in Betracht; dass Kosten für dieses Produkt von den Kranken-kassen nicht zu übernehmen sind, liegt aber auch unabhängig davon auf der Hand.
  2. Es ist allerdings zu konstatieren, dass die vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) erstellte Ersatzvornahme-Richtlinie vom 25.08.2005 - gerade und nur in dem oben bezeichneten Punkt, nämlich der Ziffer 15.2.5 Satz 3 - nicht wirksam ist.
  3. Der DIÄTVERBAND bedauert, dass die nachvollziehbare Absicht des BMG, mit diesem Teil der Richtlinie (Ziffer 15.2.5 Satz 3) die Versorgung ganz spezieller, schwer betroffener Patientengruppen mit zugelassenen Produkten zu ermöglichen, so nach Auffassung des BSG nicht umgesetzt werden konnte.
  4. Es ist indessen klar und deutlich herauszustellen: Vom Bundessozialgericht wurde hier keine Entscheidung über die übrigen Inhalte der Ersatzvornahme-Richtlinie getroffen, denn alle übrigen Teile der Richtlinie waren gerade nicht Gegenstand des Ur-teils. Die Ersatzvornahme-Richtlinie ist und bleibt daher in allen anderen Punkten ihrer Regelungen maßgeblich und anwendbar.
  5. Ebenso wenig hat das BSG in der Sache „Lorenzos Öl“ darüber entschieden, ob die Beanstandung des BMG, die gegenüber dem G-BA in Ansehung seines Entwurfs für eine neue Richtlinie ausgesprochen wurde, rechtmäßig oder rechtswidrig war. Im Gegenteil hat das BSG diese Frage ausdrücklich offen gelassen (vgl. Rdnr. 40 der Entscheidung) und dazu auf den derzeit beim Landessozialgericht NW in Essen anhängigen Rechtsstreit L 11 KA 40/07 verwiesen.
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