Stellungnahme des DIÄTVERBANDes zum rechtssicheren Umgang mit enteralen Ernährungspumpen vom 15. Juli 2016
Enterale Ernährungspumpen dienen mit dem Zubehör der stationären oder ambulanten Applikation von Sondennahrung über Ernährungssonden in den Magen-Darm-Trakt von Patienten. Sie werden eingesetzt, wenn aus Gründen der Gleichmäßigkeit, Genauigkeit und/oder Kontinuität die Zufuhr über andere Techniken, wie Schwerkraftsysteme, nicht ausreichend ist. Ernährungspumpen zählen zu den aktiven Medizinprodukten und dürfen daher nur von Personen angewendet werden, die in die Funktionen und die Bedienung eingewiesen sind.
An Ernährungspumpen werden hohe Anforderungen in Bezug auf die Bediensicherheit gestellt, damit Überförderungen oder Nichtförderungen ausgeschlossen sind. Grundlegende Anforderungen sind in der EG-Richtlinie 93/42/EWG über Medizinprodukte niedergelegt. In Ermangelung spezifischer Normen erfolgt eine Geräteprüfung in Anlehnung an EN 60601-2-24:1988, die besondere Festlegungen für die Sicherheit von Infusionspumpen und Infusionsregeln enthält. Beim Betrieb ist zudem auf Kompatibilität von Pumpe und eingesetztem Überleitzubehör sowie auf Hygiene zu achten.
Aufgrund der weiten Verbreitung von Ernährungspumpen im klinischen Bereich, aber auch in Pflegeeinrichtungen und in der Heimanwendung sowie in neuerer Zeit auch das zunehmende Angebot an Gebrauchtgeräten in Consumer-to-Consumer Online-Marktplätzen stellen sich vermehrt rechtliche Fragen zur Überlassung von Ernährungspumpen durch Anbieter von Enteraler Ernährung an Dritte. Dies nimmt der DIÄTVERBAND zum Anlass, relevante Fragen zur Überlassung von Ernährungspumpen, sei es als Leihgabe oder im Rahmen einer Vermietung, aus juristischer Sicht zu beleuchten.
Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV):
Betrieb und Anwendung von Medizinprodukten unterliegen einer Vielzahl gesetzlicher Anforderungen. Neben der Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) gelten weitere Verordnungen und Vorschriften wie die Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung (MPSV), die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) sowie Unfallverhütungsvorschriften und DIN-Normen.
Die MPBetreibV regelt unter anderem die Anforderungen an die Dokumentation, wie z. B. das Führen von Medizinproduktebüchern und Bestandsverzeichnissen sowie die Meldung von Vorkommnissen mit Medizinprodukten. Sie beschreibt die Anforderungen an die Qualifikation von Prüfern und Prüfeinrichtungen für die Durchführung von Reparaturen, sicherheitstechnischen Kontrollen, messtechnischen Kontrollen usw. Weiterhin werden die Aufgaben bei der Anwendung, die Funktionsprüfung vor Anwendung und die Anforderungen an die beauftragten Personen beschrieben.
Betreiber i.S. der MPBetreibV:
Die Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) bietet in Bezug auf die Definition des „Betreibers“ keine Rechtssicherheit. Die Pflichten des Betreibers sind zwar umfassend geregelt, es fehlt jedoch – trotz aktueller Bemühungen – eine rechtsverbindliche Definition des "Betreibers" für diese Fragestellung. Die bestehenden Verlautbarungen und Stellungnahmen der Verkehrskreise zur Definition des Betreibers sind aus Sicht des DIÄTVERBANDes angesichts der umfassenden Betreiberpflichten und der Rechtsfolgen bei Bedienfehlern oder mangelnder Bediensicherheit von Ernährungspumpen nicht ausreichend.
Aus Gründen der Rechtssicherheit ist es deshalb empfehlenswert, bei Ernährungspumpen Fragen zu den Eigentumsverhältnissen und zum Betreiber im Sinne der MPBetreibV zu klären und vertraglich zu regeln. Im Idealfall sollte dies bereits bei Überlassung von Ernährungspumpen an Dritte erfolgen.
Beispielhaft könnte dies im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung mit dem Wortlaut
„Der Käufer der Pumpen erhält x Pumpen zum Preis von y € je Pumpe. Die
Betreiberpflichten gehen mit dem Eigentum auf den Käufer über!"
vorgenommen werden.
Der Begriff des „Eigentums“ bezeichnet in diesem Fall die umfassende Sachherrschaft und damit die rechtliche Zuordnung des Medizinproduktes zu einer natürlichen oder juristischen Person einschließlich der Anerkennung der Verfügungsgewalt. Der Begriff des „Besitzes“ bezeichnet dagegen „nur“ die tatsächliche Herrschaft über eine Sache, d.h. unabhängig davon, ob die natürliche oder juristische Person „Eigentümer“ der Sache ist. Das gilt beispielsweise auch dann, wenn die Sache gemietet oder als Dauerleihgabe abgegeben wurde. Der Besitzer verfügt über die Sache, die er in seiner Gewalt hat.
Dauerleihe:
Rechtlich zulässig ist prinzipiell auch die Abgabe von Ernährungspumpen als „Geschenk“ oder „Dauerleihgabe“. Zu beachten ist hierbei die vorgenannte Problematik der Betreiberpflichten im Sinne der MPBetreibV und die Frage des Eigentums.
Es kommt hinzu, dass die Abgabe als „Geschenk“ oder „Dauerleihgabe“ stets kostenlos zu erfolgen hat (zur „Vermietung“ siehe Ausführungen unter „Betreiber i. S. der MPBetreibV“). Jede unentgeltliche Abgabe von Ernährungspumpen im Geschäftsverkehr und an Heilberufler ist im Lichte der §§ 299 und 299 a / b StGB zu bewerten.
§§ 299 und 299 a / b StGB:
Die Straftatbestände der §§ 299 und 299 a / b StGB regeln die Bestechung und Bestechlichkeit im Geschäftsverkehr und im Gesundheitswesen. Eine Abgabe von Ernährungspumpen gegen nicht-monetäre Gegenleistungen, d.h. ein Verkauf oder keine Vermietung, ist stets im Lichte dieser Straftatbestände kritisch zu sehen. Danach macht sich strafbar, im Geschäftsverkehr oder im Zusammenhang mit der Ausübung des Heilberufes einen Vorteil zu fordern oder annehmen und dafür eine Gegenleistung anzubieten, z.B. indem für die kostenlose Überlassung von Ernährungspumpen Sondennahrungen eines Herstellers bevorzugt werden. Liegt zwischen Vorteil und Gegenleistung eine unangemessene Verbindung (Unrechtsvereinbarung), ist das Verhalten strafbar. Hiervon ausgenommen kann z.B. die Gewährung von handelsüblichen Rabatten oder die Annahme von geringfügigen Werbegeschenken sein. Strafrechtlich relevant sind hingegen etwa unverhältnismäßige Produktrabatte, die Verknüpfung von Absatzmenge und gewährtem Vorteil.
Diese Neuregelungen ändern nichts an den vorstehend dargestellten Sachverhalten zur Abgabe von Ernährungspumpen als Dauerleihe gegen Gegenleistung. Sie werden als "unzulässige" Handlungen im Bereich der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr“ im Sinne des bestehenden §§ 299 und 299 a / b StGB jedoch stärker in den Fokus rücken.
§ 7 HWG:
Eine Abgabe von Ernährungspumpen gegen nicht-monetäre Gegenleistungen ist auch im Lichte des § 7 des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) zu betrachten. Danach ist es „unzulässig, Zuwendungen und sonstige erbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen, es sei denn, dass es sich bei den Zuwendungen oder Werbegaben um Gegenstände von geringem Wert […] oder Zuwendungen oder Werbegaben in […] einer bestimmten […] Menge gleicher Ware gewährt werden“. Die Verknüpfung der kostenlosen Zurverfügungstellung von Ernährungspumpen und des Verkaufs von enteraler Ernährung oder Überleitgeräten könnte als unzulässiges Koppelungsgeschäft im Sinne des § 7 HWG aufgefasst und geahndet werden.
Empfehlungen zum rechtssicheren Umgang mit Ernährungspumpen:
• Es ist ratsam, vertraglich stets die Eigentumsverhältnisse von Ernährungspumpen zu regeln und zu vereinbaren, welcher Vertragspartner Betreiber im Sinne der MPBetreibV ist. Dies betrifft vor allem den Verkauf von Ernährungspumpen oder deren Vermietung.
• Bei kostenloser Überlassung von Ernährungspumpen als Dauer/-Leihgabe oder durch Schenkung sollte vertraglich vereinbart werden, welcher Vertragspartner Betreiber im Sinne der PBetreibV ist. Bei Überlassung von Ernährungspumpen als Dauer-/Leihgabe liegen die Eigentumsrechte und –pflichten und damit auch die Betreiberpflichten andernfalls beim Leihgeber.
• Bei Überlassung von Ernährungspumpen durch Verkauf oder Miete sind insbesondere die Vorgaben des § 7 HWG (Koppelungsgeschäfte) zu beachten, wonach nur sog. ‚Naturalrabatte‘ zulässig sind.
• Ein Verschenken von Ernährungspumpen ist im Hinblick auf buchhalterische Dokumentationspflichten und die Nachvollziehbarkeit der Transaktion zu prüfen. Angesichts der Werthaltigkeit von Ernährungspumpen ist zudem auf die Ausführungen zu § 7 HWG und zum §§ 299 und 299 a / b StGB zu verweisen. Dies gilt sowohl für das Verschenken von Neugeräten, als auch für das Verschenken von Altgeräten. Bezüglich der Eigentumsrechte und der Betreiberpflichten sei auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen.
• Bei kostenloser Überlassung von Ernährungspumpen als Dauer/-Leihgabe ist vor allem auf die Ausführungen zu § 7 HWG und zum §§ 299 und 299 a / b StGB zu verweisen. Bezüglich der Eigentumsrechte und der Betreiberpflichten sei auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen.
• Werden Ernährungspumpen z.B. zu Testzwecken für einen begrenzten Zeitraum als Leihgabe ausgegeben, ist es empfehlenswert diese nach Zeitablauf wieder zurückzunehmen und die Vorgänge umfassend zu dokumentieren.
• Angesichts des administrativen Aufwandes und der rechtlichen Imponderabilien erscheintdie Abgabe von Ernährungspumpen als Dauerleihgabe weniger empfehlenswert. Der Abgabe auch von vormals Dauerleihgaben im Wege einer Vermietung oder durch Verkauf ist ggf. der Vorzug zu geben. Der Veräußerung der Medizinprodukte im Rahmen von Aktionen und Preisgestaltung nach unternehmerischen Gesichtspunkten steht bei Beachtung des § 7 HWG und der §§ 299 und 299 a / b StGB rechtlich nichts entgegen.
• Bei Abgabe von Ernährungspumpen durch Verkauf ist § 7 HWG zu beachten. Danach ist es rechtlich zulässig ‚Naturalrabatte‘ im Sinne ‚gleicher Ware‘ anzubieten, d.h. bei Verkauf einer Anzahl ‚x‘ Ernährungspumpen eine Anzahl ‚y‘ Ernährungspumpen als Naturalrabatt abzugeben.
• Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Straftatbestände der §§ 299 und 299 a / b StGB, die allgemein die Bestechung und Bestechlichkeit Geschäftsverkehr und im Gesundheitswesen unter Strafe stellen, sowohl auf Anbieter von Vorteilen als auch auf Empfänger von Vorteilen anzuwenden ist. Bestraft wird, wer auf Nehmerseite einen Vorteil anbietet, verspricht oder gewährt. Bestraft wird spiegelbildlich auch, wer mit der Ausübung seines Berufs einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, versprechen lässt oder annimmt.
• Insoweit sollten auch Partner (z.B. Kliniken, Handelskunden) von Herstellern offen für einen rechtssicheren Umgang mit Ernährungspumpen sein.
Fazit:
In Anbetracht der vorliegenden Ausführungen wird für einen rechtssicheren Umgang mit enteralen Ernährungspumpen empfohlen, im Rahmen eines Vertrags zu regeln, wer Betreiber im Sinne der Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) ist.
Darüber hinaus sollten die Bedingungen wie z.B. (Miet-) Preise für den Eigentumsübergang vertraglich klar und transparent geregelt werden. Diese müssen sowohl den Anforderungen des § 7 HWG als auch denen der §§ 299 und 99 a / b StGB gerecht werden. Dies schützt sowohl den Käufer (z.B. Kliniken, Handelskunden) als auch Verkäufer.
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Quelle: Bundesverband der Hersteller von Lebensmitteln für eine besondere Ernährung (DIÄTVERBAND) e.V. http://www.diaetverband.de
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